Gedanken eines Sängers

 Text von Klaus Napokoj im Probenalltag des Mozart-Requiems...

 “REQUIEM

Wenn man mit 67 Jahren eines der schönsten, aber auch schwierigsten Werke, die in der Chorliteratur beschrieben sind, noch dazu nie zuvor gesungen, angeht, ist Feuer auf dem Dach, im Cerebrum und auf den Stimmbändern!

Der SGO immer verbunden, konnte ich das Angebot von Christof, dabei mitzuwirken, mit einem Anflug von Hoffnung - aufbauend auf sängerischer Empirie, als Rentner über genügend Zeit zum Einstudieren zu haben und dem aufkeimendem Interesse - das Werk dereinst vielleicht adäquat mitzugestalten, nicht ausschlagen.

Eine in Bezug aufs Alter und den fehlenden gesanglichen Aktivitäten - der Tod von Philipp Kaiser, mit dem ich über 50 Jahre im Grenzlandchor und bei den 5 Gailtaler gesungen hatte, war für uns alle ein Tiefpunkt und eine entsprechend traurige, gesanglich abstinente Zeit - echte Herausforderung!

Es entwickelte sich fortan ein gnadenloser Konflikt mit Wolfgang Amadeus, der beim Komponieren nicht nur moribund, sondern das eine oder andere Mal offensichtlich wohl „eingeraucht“ war?!

Ein heroischer, bisweilen parkinsonoider K(r)ampf, seinen radebrecherischen Tempi zu folgen, nahezu frustranen Versuchen, die sehr hohen Töne mit kastratischem Falsett oder knödeltenorischer Bruststimme zu simulieren und die absolute Gewissheit, immer trainieren, studieren und proben zu müssen, nie zu largieren, dem Werke höchst demütig, stets ehrfurchtsvoll, staunend und wissbegierig gegenüberzustehen.

Der Zwiespalt, sich dem viel zu früh verstorbenen Giganten nicht zu unterwerfen, seinen musikalischen Forderungen nicht zu unterliegen und seinen Anforderungen genüge zu tun, ist für einen Amateur fast zu breit, ein nahezu frustranes Unterfangen, welches nur mit Ehrgeiz, Fleiß und Leidenschaft einigermaßen kupiert werden kann … zu hoch sind seine Ansprüche auf Höhen, Tiefen, Tempi, Interpretation und Ausdruck … aber er hat es ja nicht geschrieben, um der Nachwelt ein nicht besingbares Manifest zu hinterlassen?!

Auf in den Kampf, hören, staunen, akzeptieren, perzipieren, trainieren, sinnieren und studieren, um mit Wolferl‘s letztem Erguß zu reüssieren.

Die mediale Unterstützung ist heutzutage natürlich gewaltig und so habe ich sicher an die 30 Interpretationen des Requiems gehört … bei Böhm, Karajan oder Bernstein bin ich dösend im Liegestuhl gelegen, bei Harnoncourt, Gardiner oder Fuchs aufgestanden und bei Leusink kopfgestanden! Allen Aufführungen ist aber das außergewöhnliche Engagement sämtlicher Beteiligten gemein.

Gestützt durch YouTube und einer alten Bontempi habe ich das Werk wirklich inhaliert, die Fugen ausgearbeitet, die Einsätze indoktriniert, die p’s, f’s, ff’s, assai’s, sotto voce’s und natürlich Christof’s Wünsche im Notenheft angefärbelt, um letztlich alles in den überschaubaren, senilen und reproduktiv höchst eingeschränkten Hirnwindungen zu speichern.

Nie zuvor - und wohl auch sicher danach - hat mich Musik, Gesang und ein Werk so beschäftigt, in den Bann gezogen und motiviert, wie das Requiem! Lange dauerte es, dass ich semini statt semine (der Samen Abrahams ist ja nicht allgegenwärtig) sprach, eine 1/8 Pause im Offertorium (die Wolferl offensichtlich zum Luft holen für den Bass setzte) perzipierte und das allgegenwärtige „eleison“ buchstabengetreu den Fugen zuordnen konnte. Die „to do“ Liste mit Christof‘schen Postulaten vehement akklamierter Vokale,  bisweilen absenten Konsonanten, wie das eine oder andere „s“,  und interumpierenden Beistrichen war ja auch zu berücksichtigen … eine im Rahmen der fortgeschrittenen Cerebralsklerose fast unlösbare Aufgabe!

Ich bin dem Wolferl für sein unvergängliches Werk, der SGO für die kollegiale Aufnahme und dem emphatischen Chorleiter dankbar und ewig verbunden, verführt und verpflichtet, es macht ja letztlich auch sehr viel Freude, diesen drei bemerkenswerten, musikalisch hochstehenden Institutionen, sein Bestes zu zeigen, um dann unvergessliche und eindrucksvolle Konzerte mitzugestalten und in den Himmel zu kommen!

Wir kommen aber nach den Konzerten ALLE in den Himmel, nicht nur ich!

Es war mir ein innerer Parteitag, mit Euch lieben SängerInnen eines der eindrucksvollsten Werke mitsingen zu dürfen, habe Euch alle schätzen gelernt, gratuliere zu Eurem Engagement und danke für Euer geriatrisches Verständnis, nebst „Legende“ Franz und Günther war ich zumindest altersmäßig maskuline Bronze! Ihr seid mir alle ans Herz gewachsen, Klaus!

Ein wenig unbesonnen, weil berauscht, habe ich auf der Hütte, ein paar Tage vor unserem gemeinsamen Ausflug nach Friaul beschlossen, meinen persönlichen, inzwischen liebgewonnenen Konflikt mit Wolfgang Amadeus Mozart, zu übermitteln. Ich hoffe, meine geschätzten SangeskollegInnen, dass wir das Letzte aus uns herausholend, engagiert und leidenschaftlich trachten werden, dem wunderbaren Werk, dem charismatischen Chorleiter und den Zuhörern unvergessliche Stunden zu bereiten!

Ein bisschen habe ich mich Mozart angenähert, meine Komposition kann und will ich nicht vollenden, aber es wird sich wohl ein Süßmayer finden, der nach den Aufführungen meine Gedanken nachvollzieht und von den gelungenen Aufführungen berichten wird?!

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Probentag mit Ursula Langmayr

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